Ich bekenne mich schuldig.

Mein Verbrechen. Ich habe den Meuchel-Mord an unserer Freiheit zugelassen.
Ich bin schuldig. Da gibt es keinen Zweifel.
Ich habe Mördern der Freiheit und Vergewaltigern der menschlichen Würde, Sadisten, Kriegsverbrechern und hinterhältigen Gesellen und Betrügern vertraut. Ich habe mich von ihnen blenden und verführen lassen. Ich habe sie in ihrer niederträchtigen Wahrhaftigkeit nicht gesehen. Ich habe sie nicht gestoppt und ihre blutrünstigen Hände nicht in Fesseln legen lassen, bevor sie erneut damit die Freiheit erwürgen konnten. Ich habe ihnen ihr Gift speiendes Maul nicht stopfen lassen, bevor sie mit ihre Sprache erneut Hass und Zwietracht säen und die Massen erneut gegen die Freiheit des Einzelnen mobilisieren konnten. Ich habe sie nicht aufgehalten und an mir vorbeiziehen lassen, weil meine Augen und Ohren sie nicht sehen und hören wollten.
Ich habe versagt. ich bin schuldig.
Ich habe nicht hinter ihre Masken
geschaut und ihre
wahren Fratzen erkannt, die, wie ich es nun viel zu spät erkenne, so widerlich verformt sind vom
Geiste des alten, nie untergegangenen Faschismus, der sich
Jahrzehnte
lang
vor mir und euch versteckt hat - in dem mir
fernen Kommunismus und in der mir
nahen Demokratie. Dort hat er sich lange Zeit verkrochen und es sich kommod gemacht und an den neuen
Märchen gearbeitet,
die sie uns erzählen würden und uns gerade täglich, ja stündlich erzählen. Manche dieser Märchen wurden früher entlarvt, andere später und die meisten leider erst jetzt von mir.
Welches Märchen wird sich noch als
eine Geschichte von Faschisten geschrieben entlarven? Sie sagen, es sei Pippi Langstrumpf, Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer oder der
Räuber Hotzenplotz Ich vermute schlimmeres - haben Sie das
Grundgesetz geschrieben, um uns in Sicherheit zu wiegen?
Ja schuldig bin ich und ich weiss, ihr Menschen da draussen, versteht mich nicht. Meine Schuld interessiert euch nicht. Ihr seht sie nicht und haltet mich für...krank? Geisteskrank?
Bin ich es? Krank im Geiste, der viel zu spät erkennt, dass er
betäubt wurde, eingeschläfert und eingelullt.
Jetzt erst sehe ich sie. Jetzt erst erkenne ich es deutlich. Die
Braunhemden tragen heute
rot und grün zunehmend auch
schwarz, selbst magenta-pink und gelb.
Und ich armer Tor, ich
plumper Naivling, habe all die Jahre, in meiner Jugend und auch als junger Mann, gedacht, wir alle tragen nur
noch die eine, die gute Farbe in unseren Seelen. Die
Farbe Weiss. Denn ist Weiss nicht die Farbe der Unschuld, der Sauberkeit und des Friedens?
Der zweite Weltkrieg lag, rein vom Gefühl, so weit hinter mir wie das Aussterben der Dinosaurier. Für unsere Grosseltern und Eltern war er jedoch noch Teil ihrer Geschichte. Und wir, die wir nicht wussten, was sie damals zu ihrem Schweigen und ihren widerwärtigen Schandtaten angetrieben hatte, wir sollten gleichsam wie sie, obwohl unschuldig, ihre Schuld ertragen. Wir sollten mit leiden und weiter leiden. Der Erbsünde gleich, wurden wir von morgens bis abends, Jahr ein Jahr aus, mit ihren Schandtaten konfrontiert, auf das wir nie wieder der hässliche Deutsche sein sollten. Und sie, die es ja so lange gewesen waren, gaben uns ein Vorbild. Sie waren jetzt die Guten. Die Besseren. Die Geläuterten. Die guten Deutschen lernten uns noch bessere Deutsche zu werden.
Ich bekenne mich schuldig. Ich habe ihnen geglaubt und noch schlimmer, ich habe uns geglaubt. Meiner Generation und den nachfolgenden, dass sie es nie wieder tun würden, was sie damals getan haben. Ausgrenzen. Verachten. Diffamieren. Verfolgen. Menschen als Sozialschädlinge beschimpfen und sogar zum Mord an politischen Gegnern aufrufen. Nicht etwa am Stammtisch nur, nein, öffentlich in den Medien des ÖRR und reichweitenstarker Mainstream-Medien.
Ich trage eine tiefe Schuld in mir. Ich habe mich an der Demokratie und der Freiheit vergangen. Ich habe das Grundgesetz geehrt und ernsthaft gedacht, dass die geschriebenen Worte, millionenfach auf Papier gedruckt, ausreichen würden, um mich und unsere Kinder vor der Rückkehr der deutschen Lust am Faschismus zu schützen, und vor der tollwütigen Geilheit der Deutschen auf die totalitäre Kontrolle.
Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Der gute Glauben auch nicht.
Ich habe im guten Glauben gelebt. Das aber reicht nicht aus, um mich frei zu sprechen. Denn ich habe es zugelassen. Ich habe zwar nicht mitgemacht an dem Mord an unserer Freiheit, aber ich habe die Mörder nicht rechtzeitig enttarnt, obwohl ich es hätte sehen müssen.
Ich habe nie wirklich die deutsche Seele in ihrer tiefen Untertänigkeit und Grausamkeit hinterfragt, obwohl ich allen Grund dazu hatte und es instinktiv schon immer ahnte. Schon als kleines Kind hatte ich gespürt, dass ihre Seelen versteinert waren, ihre Herzen eiskalt und sich ihr militärisch indoktrinierter Geist noch immer sehnsüchtig dem Befehl der Obrigkeit unterwarf und von dem innigen Wunsch nach Pflichterfüllung, Sicherheit und Ordnung zu neuen Höchstleistungen angetrieben wurde. "Du musst" und "Du sollst" waren nach wie vor die deutschen Gebote und nicht "Ich willl". Ich aber wollte stets etwas und immer vieles und meine Kindheit hätte mich warnen und zugleich schulen müssen. Aber sie waren schlau. Es war noch zu früh für ihre Wiederkehr. Ihre Auferstehung musste noch auf sich warten lassen. Die Wunden waren noch nicht verheilt und der Deutsche war noch nicht gut genug. Der Deutsche musste noch besser werden, um erneut die Fackel der Freiheit in die Hand zu nehmen, und dem alten Geist des Faschismus, der nie wieder so heissen würde, einen neuen Weg an die absolute Macht zu leuchten. Sie liessen mich und Meinesgleichen noch an der langen Leine, an der wir uns in ihrem uns notwendiger Weise eingerichtetem Freiraum bewegen und ja schuldig machen konnten.
Die deutsche Seele trägt eine Last mit sich und die Schuld der Unschuldigen zieht sie ständig in die Tiefe. Das erkannte ich zu spät. Und ich begriff, irgendwann würde sie wieder nach Luft ringen wollen und den Ballasts loswerden müssen, der sie niederzog. Würde sie, einem Atom-U-Boot gleich aus den tiefen des Ozeans auftauchen, bereit zu neuem Massenmord? Ich hoffte es nicht, auch wenn die Zeichen der Zeit es befürchten liessen. Und nun? Was sehen wir aus dem Meer von zigmillionen Soldatenleichen wieder emporsteigen?
Urteilt selbst und verurteilt mich ruhig, denn ich habe es nicht anders verdient. Ich glaubte wirklich, dass, wenn ein Deutscher "Nie wieder Faschismus" sagt, er es auch aus tiefstem Herzen so meint. Nicht nur aus dem tiefsten Herzen eines Humanisten, sondern auch aus seinem frei schwebenden Geiste heraus und aus seiner edlen Seele, die nur noch in Liebe und nie wieder im Blute eines Feindes bade wollte, und aus seinem Bewusstsein heraus, das, so wie ich erhoffte und glaubte, ein höheres und weiseres sein musste, das nur noch dem Frieden dienen wollte, nach Innen wie Aussen.
"Nie wieder Faschismus"
so dachte ich sei des
neuen, besseren Deutschen Kerns, nicht ahnend, dass es sich der
unsterbliche Geist des Faschismus in seinen kommoden Verstecken bereits hübsch ausgemalt hatte, wie er in
neuen Gewändern erscheinen und in einer neuen Sprache
zu den Menschen reden würde. Das tat er nun. Auf die vordergründig sanfte Art.
Scheinheilig gutmütig. Statt hart und ideologisch, eher von einer triefenden
Moral beseelt und vor
allem beseelend.
Wenn einst das laute, hysterische und
gewaltige Geschrei kriegslüsterner Männer
den Einzelnen mit der braunen Masse verschmelzen liess, so ist es heute
das weibische Geschwätz, die feige Hinterfotzigkeit und
professionelle Schauspielkunst, die den
Einzelnen verwirrt, ihm
seine Würde ausredet und ihm den
Ausweg aus seiner selbstverschuldeten Rechtslastigkeit
im
glückseligen Solidaritätsrausch mit den
besseren Deutschen verspricht.
In ihren Verstecken haben sie sich
laut lachend ausgemalt, wie sie sich den besseren Deutschen
schaffen wollten. Den Deutschen, der im
"Nie wieder" Rausch, es dennoch
wieder tut. Sie sollten glauben, den Krieg der
Gerechten
zu führen, der selbst
Mord und Totschlag
für die
gute Sache erlaubt. Mord und Totschlag der Freiheit und Demokratie. Noch sind es erst die
demokratischen Institutionen, die sterbend zu Boden sinken.
Werden es bald wieder Menschen sein? Es war so einfach. Es war ein Kinderspiel. Es
bedurfte nur der Zeit, die sie nutzten, um sich neue Kleider zu designen und schneidern zu lassen, um neue Masken zu entwerfen und die deutsche Seele tröpfchenweise mit Moral zu vergiften.
So konnte es auch nicht anders kommen, dass sogar die Kirchen erneut ihre Tore für den alten, unheiligen Geist der Faschisten öffneten. Wir erinnern uns. "Ungeimpfte sind unerwünscht. Gottesdienst nur für Geimpfte und Genesene. Oppositionelle Demokraten haben in der Kirche nichts zu suchen."
Ich kann mich nicht rein waschen und nicht rein schreiben von dieser Schuld. Gleichsam wird niemand mich schuldig sprechen. Die einen nicht, weil sie es nicht kapieren und die anderen nicht, weil sie auf ihrem weiteren Wege zur Macht kein Aufsehen erregen wollen.
So sitze ich derzeit
fernab von Deutschland, schaue beim Schreiben auf den Atlantik, der heute hohe Wellen schlägt und denke mir, was ist es nur, dass selbst ich dazu neige,
mich zutiefst schuldig zu fühlen?
"Typisch Deutsch, ja, ja, soooo typisch Deutsch bist Du.", höre ich eine innere Stimme, die mich auslacht. "Erfreue Dich Deines Lebens. Bestell ' Dir ein Glas Wein. Trinke auf das Leben, das Du hast und scheiss auf diese Schuld".
Recht hat sie diese Stimme, oder nicht? Ich zweifle und die Stimme lacht noch lauter. "Typisch Deutsch. Sage ich doch. Du zweifelst, grübelst und nimmst Dich dabei so wichtig."
Ich nicke und werfe bereits einen
Blick auf die Weinkarte, während die Stimme weiter spricht. "Schau Dich um. Die Menschen lieben und lachen, spielen, schreien, weinen, küssen und schlagen sich. Und Du sitzt da wie ein Häufchen Elend,
denkst und schreibst und schreibst und denkst. Lass die Deutschen doch untergehen, lass die EU, lass Europa und
die ganze Welt doch einfach untergehen.
Es kommt, wie es kommen muss und Du kannst nicht die Schuld dafür auf Dich nehmen." Oder
bist Du Gott
und kannst das stoppen? "
Ich bestelle ein Glas Wein und antworte der Stimme:
" Nein das kann ich nicht. Da hast Du Recht. Ich sollte mich
nicht alleine schuldig fühlen für das
Ende der freien Welt, wie ich sie liebe. Nicht alleine bin ich schuldig. Aber
mitschuldig
bin ich doch. Und wenn ich mich schuldig fühle, dann ist dies eine
andere Schuld, als von Dir vielleicht gemeint. Es ist keine Schuld im Sinne von
Ursache und Wirkung. Eher von
Nichtursache
und
Dennochwirkung. Ich weiss,
meine Unschuld hätte es nicht verhindern können. Den Mord an der Freiheit und Demokratie und dem Humanismus. Nein.
Das wäre dennoch geschehen."
Die Stimme lacht nun nicht mehr und fragt mich leicht irritiert: "Was soll das heissen? Das ist offensichtlich zu hoch oder zu tief für mich. Trink lieber noch ein Glas Wein. Auf das Leben."
"Das ist die Last des frühen wie auch späten Widerstandes",
antworte ich.
"Der frühe Widerstand wir meist zu einem Märtyrer. Er wird von der Masse
nicht ernst genommen, er wird von ihr
ignoriert oder ausgelacht und von denen,
die ihn ernst nehmen wird er
zerstört, verhaftet,
gefoltert
oder gar ermordet. Der späte Widerstand hat es selten besser. Er kann das, was an
Unrecht
alles Geschehen ist, nicht mehr rückgängig machen. Er wird in seinem Versuch
der Schuldbefreiung
entweder
auch zerstört, dann wenn er scheitert, oder er wird beim Gelingen erkennen müssen, dass sein Widerstand nur kurzfristig von Erfolg gekrönt war und die Verbrecher ihn auslachen. Wer weiss, vielleicht werden sie ihn sogar,
zu einem späteren Zeitpunkt
belangen? Bist Du noch da innere Stimme? "
War sie nicht. Es war still geworden. Ich hörte nur noch die Wellen des Atlantiks und das Rauschen des Windes. Es ist eine Qual, sich der
Schuld zu stellen, dachte ich weiter. Die
Erkenntnis der eigenen Schuld und die
Schuldbefreiung im hellen
Gefechtslicht oder mehr im
Schatten seiner Selbst. Ich hob mein Glas und
trank im Schatten meines Selbst wenigstes auf eines:
Auf die Freiheit, die Liebe und die vielen, wahren
Humanisten auf Erden, frei oder auch nicht frei von Schuld.
Ich bestellte mir gleich eine ganze Flasche Wein und trank weiter.
"Vergiss diese innere Stimme von eben", hörte ich eine andere Stimme zu mir reden. "Höre nicht auf sie und
trinke mit mir auf Deine Schuld, die Du wenigstens erkennst. Lass uns darauf trinken, dass es auch andere Dir gleich tun werden. Komm mein Freund, lass uns sie einladen,
ihre Schuld am Tod der Freiheit, der
Würde des Menschen und der Menschenrechte
einzugestehen
und diese Schuld mit uns freudig zu begiessen. Laden wir sie ein, an unserer fröhlichen
Tafel der Schuld
Platz zu nehmen. Denn je mehr Schuldige wir uns beim gemeinsamen Weine, in Geselligkeit und tiefer Verbundenheit erkennen und umarmen, um so besser schmeckt der Wein und um so enger schliessen wir die Reihen, auf das
kein Blatt und Plakat des Hasses mehr zwischen uns passt.und kein einziges Smartphone, das sie für die Faschisten anstatt der
Fackel hochhalten und leuchten lassen."
Vergib Dir Deine Schuld , wie auch ich mir meine Schuld vergebe.
So denke ich nun. Erlöse Dich von dem Geist des Faschismus und sei kein "besserer Deutscher" als Deine Gross- und Urgrosseltern es waren. Sei einfach nur ein Mensch, der mit anderen Menschen in Frieden und Freiheit, in Respekt und in Würde leben möchte und der für die Freiheit, den Frieden, Respekt und die Würde jedes anderen streitet und kämpft. Das ist schon schwer genug, aber es ist der einzige Weg in ein glückliches Leben. Es ist die einzige Chance den Geist der Faschisten zu besiegen. Und sollte das nicht die Aufgabe von uns allen sein? Rechts wie links von der zum Extremismus neigenden Mitte.



