April...April...leider nicht!

„Böses Erwachen“
Vielleicht war es ein Traum.
Sicherlich war alles nur ein Traum.
Das kann alles nur ein Traum gewesen sein.
War es ein Traum, meine Geliebte?
Und wenn ich es Dir auch schwerer mache,
dann sag es mir einfach jetzt,
denn das ist das Letzte, was ich nun will.
Dein ehrliches Wort.
Ich war eben noch in der Wüste.
Ja, gerade noch tanzte ich unter dem Sternenhimmel.
Anscheinend bin ich heute Morgen etwas unbeholfen.
Aber wieso auch nicht?
Ich konnte mir nicht vorstellen,
in einem Land aufzuwachen,
in dem Hunde mehr Freiheit genießen
als unsere Kinder.
Ich weiß, Du bist kein Kind mehr.
Nein, meine treue Geliebte.
Aber Vorsicht.
Im Spiegel erkenne ich Dich nicht wieder.
Und in Gedanken erscheinst Du mir.
Wie ein verglühender Stern.
Deine Flügel sind zerknittert.
Wo warst Du während ich schlief?
Mein Schatz - ich liebe es,
wenn Du hinaus fliegst
und mit den Menschen tanzt
Dich sich nach Dir sehnen.
Nein Eifersucht, die kenne ich nicht.
Denn was ist schon meine kleine dunkle Seele,
wenn du Millionen erleuchten und verzaubern kannst.
Aber sei kurz still. Höre nur.
Noch können wir das Lied hören
¡Que viva España!
Aber die Stimmen, sie werden schwächer
Nicht wahr? Sie werden trauriger.
Und die Menschen, die wir lieben
sie sterben jeden Tag.
Sterben, so viele, so viele Tage, die ganze Zeit.
Ja, Menschen sterben.
Und Du, meine Geliebte, Du weißt es ja genau.
An dreckigem Wasser sterben sie 1,5 Millionen Mal im Jahr.
17 Millionen mal jedes Jahr an einem kranken Herzen.
Ich weiß ich weiß, Deine Flügel schlagen und Du willst hinaus.
Doch warte noch. Du bist so müde. Ich sehe es doch.
Wir beide wissen es und hörten sie doch all die Jahre.
Die 5 Millionen Todesschreie. Tuberkulose und Malaria.
Und, Du mein Licht, meine Sonne, die mein Herz
vor dem erfrieren bewahrt, ja lass es uns nur hier noch einmal lesen,
6,3 Millionen Kinder, noch jünger als fünf,
die schrecklich weinen und im Stillen verhungern auch dieses Jahr.
Und jetzt?
Ich lausche hinaus in mein Land meiner Träume.
Viva España?
Komm zu mir. Ganz nah an meine Stirn.
Ich liebe es, Deinen heißen Atem zu spüren
Komm, lauschen wir nochmal hinaus in die Welt.
Hörst Du es. Das Jammern?
Das Zittern in den Stimmen.
Die Angst und das Weinen.
Den Schmerz unserer Freunde.
Ja Menschen sterben.
Sterben, so viele, so viele Tage, die ganze Zeit
Ja Menschen sterben.
8000 mal in diesem Land.
Und mit dem Sterben hier.
Vor unserer Tür
scheinst auch Du,
meine Geliebte,
die Kraft zu verlieren.
Bleibe stark!
Für die Millionen.
Denn was wird passieren?
Was wird kommen?
Du schaust mich ratlos an.
So kenne ich Dich nicht.
Das macht mir Angst.
Großmutter, Großvater ist das das Ende der Welt?
Komm lasst uns alle verstecken bissen alles vorbei ist.
Ich sehe schon, mein Süsse,
Dein Flügel beben - auch vor Wut?
Du willst hinaus aber Du bist schwach.
Nimm noch einen Schluck aus meinem Glas
und bleibe bei mir. Den Tag. Die Nacht.
Wir dürfen nicht hinaus.
Bring Dich in Sicherheit für einen besseren Tag.
Unter einer Palme sitzt ein alter Mann.
Es sieht so freundlich aus und schüttelt den Kopf.
„Wir müssen unsere Kinder retten“, ruft er mir zu.
Seine Stimme ist so traurig.
Er fleht mich an. "Unsere Kinder, ruft er in den Himmel,
Sie sind unsere Rettung.“
Und der Alte flüstert plötzlich in sich rein.
Er schaut hinaus auf ein Meer voller Tränen.
Und er redet mit sich selbst.
„Die Alten, mein Sohn,
Sie werden Dich und Deine Kinder mit sich runterziehen“
Bist Du noch da meine Geliebte?
Ich hatte schon wieder ein Traum.
Mitten am Tag? Ja ich bin müde.
Wo bist Du? Ich kann Dich nicht spüren?
Bitte bleib nicht zu lange fort.
Wo ist mein Glas?
Vergiss uns nicht, meine Geliebte.
Behüte Dich und ruh Dich aus.
Stirb uns nicht mit den Tausenden,
denn so viele Millionen brauchen Dich,
wie ich.
Sven Stephan. Spanien. 1.April 2020


