Und frisst auch die KI-Revolution am Ende ihre eigenen Kinder?

Autonomes Fahren. Avatare. Digitale Assistenten, die unseren Alltag und uns selbst optimieren. Computer, die Emotionen lesen und sich erinnern können. Selbst lernende und sich selbst optimierende Software. Die Verschmelzung von Mensch und Maschine, von menschlicher DNA und Algorithmen…die KI Visionen und faszinierenden Vorstellungen führender Wissenschaftler und Informatiker kennen keine Grenzen. Doch die Gefahr, daß sich ihre Träume zum Alptraum der Menschheit entwickeln ist groß.
Schafft KI nicht längst schon die perfekten Kontrollsysteme und Waffen für autoritäre Staaten? Machen sich Diktaturen und Oligarchien nicht schon längst die Neugierde und Eitelkeiten von Wissenschaftlern und Informatikern zunutze, um die Welt nach ihren Vorstellungen zu kontrollieren? Wer kann es abstreiten, daß KI in seiner zukünftigen Machtfülle den Großteil der Menschheit nicht versklaven wird. Und daß KI nur einer politischen, wirtschaftlichen und technologischen Elite das Paradies auf Erden erschaffen könnte? Wer kann uns die Bedenken nehmen, das die heutigen KI-Idealisten und naive KI-Romantiker nicht den Boden bereiten für das Ende der Demokratie, der Grundrechte und Freiheiten des Individuums?
Der Philosoph und Physiker Armin Grunwald sagte im Handelblatt Interview unter anderem folgendes: „Die größere Gefahr ist vielmehr, dass die künstliche Intelligenz von einigen wenigen ausgenutzt wird, um wirtschaftlichen Profit zu machen oder politische Macht zu gewinnen.“ Zusätzlich erinnerte er an die Gefahr des zunehmenden Kontrollverlustes und daß die KI zu einer Art Blackbox wird, die man irgendwann nicht mehr verstehen würde und der man nur noch blind folgen müsse.
Was passiert, wenn KI Systeme die Kontrolle übernehmen, mussten erst kürzlich die 189 Passagiere einer Boeing 737 Max mit ihrem Leben bezahlen. Für mächtige Wirtschaftseliten und Technologiegläubige ist das sicherlich nur ein Kollateralschaden. Aber sollten sich die ersten Erkenntnisse bewahrheiten, muss doch die Frage erlaubt sein: „War das nicht Mord?Und war KI der Mörder oder nur die Waffe?“ Wie auch immer. Ich stelle mir auf jeden Fall die Piloten vor, die verzweifelt versuchen, den Kampf gegen die Technik zu gewinnen. Wie verzweifelt versuchten, ihr eigenes Leben und das von 189 Passagieren an Bord gegen die Launen eines Computersystems zu verteidigen. Ich denke an die armen Menschen in der Maschine und empfinde dabei nicht nur Trauer, sondern auch einen gewissen Groll.
Denn man kann hier offensichtlich nicht von Schicksal sprechen oder einem unvermeidlichen Unfall, sondern von einem programmierten Versagen und einer erbarmungslosen und unmenschlichen Machtdemonstration der KI. Was hier Menschen erlebten wünsche ich niemandem von uns: die brutale Macht der Maschine über den Menschen und über Leben und Tod.
Natürlich kann es jeder nur begrüßen, wenn zum Beispiel Querschnittsgelähmte plötzlich alleine mit der Kraft ihrer Gedanken Apps bedienen können.Und natürlich klingt es reizvoll, wenn wir selbst in Zukunft per Gedankenübertragung mit Maschinen kommunizieren und diese steuern können. Wenn meine Kaffeemaschine nicht mehr per Knopfdruck, sondern per Gedanken an eine Kaffeebohne anspringt und die zahlreichen Fernbedienungen im Haus, endlich der Steuerungseinheit im Implantat weichen. Aber wer sollte den Menschen davon abhalten mittels smarter Hirnimplantate irgendwann auch den Menschen zu steuern?
Diese Gefahr liegt sicherlich noch in weiter Ferne. Die Abhängigkeit des Menschen von Maschinen ist jedoch längst Realität und die ultimative Kontrolle, die Steuerung und die rigorose Überwachung der Gesellschaft durch Maschinen scheitert eigentlich nur noch am offensiven politischen Willen. Die Technologien dafür stehen breit und werden in den kommenden Jahren rasant perfektioniert.
Werden die einst so visionären Hollywood-Filme wie Terminator, Matrix, Robocop, Blade Runner, Total Recall und viele mehr nicht schon bald unsere Realität sein? Wer sich dieser Frage heute stellt, wird leider schnell von verstrahlten KI-Esoterikern und begabten Nerd-Eliten in die Ecke der stupiden Kultur-Pessimisten, Fortschritts-Kritiker und Technologie-Feinde gestellt. Wer die Sinnfrage alleine in Bezug auf das autonome Fahren stellt und sich über Alexa oder Siri lustig macht, der wird von einer hippen, Technologie besessenen und Smartphone hörigen Gesellschaft schnell als Party-Crasher, als phantasieloser Nörgler und rückständiger Zeitgenosse ausgegrenzt.
Natürlich möchte auch ich optimistisch in die Zukunft blicken. Aber der amerikanische Philosoph George Santayana sagte einst: „Those who cannot remember the past are condemned to repeat it.” Und ein Blick in die Vergangenheit, wie auch in die Gegenwart, zeigt uns wie der Mensch nun neinmal tickt und klickt. Er ist gierig, er zerstört die Umwelt, er tötet aus wirtschaftlichen und aus geopolitischen Machtinteressen genauso wie aufgrund seines religiösen und ideologischen Fanatismus. Er ist grausam und erbarmungslos im Töten von Unschuldigen und macht selbst vor wehrlosen Frauen und ihren Babys, vor Kindern und alten Menschen keinen Halt. Der Mensch ist dazu fähig seinesgleichen gnadenlos und systematisch auszurotten. Wieso sollte ihn ausgerechnet die KI zu einem besseren Menschen machen? Wieso sollte er sich nicht, mitsamt seiner Bösartigkeit und seiner Niedertracht, seinem Hass, seiner Zerstörungswut, seiner Überheblichkeit und Ignoranz, dieser unglaublichen Macht bedienen, die die KI ihm bieten wird?
Oder anders gefragt: Welche moralische Instanz wird sich dieser drohenden, wenn vielleicht auch nur schleichenden, Entwicklung in den Weg stellen? Der Papst? Die Grünen? Richard David Precht? Welche geistige und moralische Macht kann es mit der technologischen Allmachtsfantasie in Zukunft noch aufnehmen? Wer wird uns noch daran erinnern, welche Freiheiten wir einst freiwillig aufgegeben haben und in Zukunft weiter aufgeben werden? Wer wird uns einmal vor Augen halten, daß wir mit dem selbständigen und eigenhändigen Fahren auch das selbständige Denken aufgaben?
Eine Kirche, die von sexuellen Mißbrauchskandalen, von finanzieller Verschwendungslust und mafiakonformen Strukturen getrieben wird? Nicht wirklich! Andere Religionsgesellschaften, in denen alte Männer ihren Kindern Sprengstoffgürtel um den Körper binden und sie vor laufender Kamera ins Paradies bomben sind es sicherlich auch nicht. Wer dann? Können wir die totalitäre Überwachung und den Verlust von individuellen Menschenrechten mit mehr Mediation und Yoga kompensieren? Reicht es, wenn wir uns auf dem Kirchentag die Hände reichen, in aller Seligkeit ein paar Liedchen trällern und Friedenstauben in den Himmel steigen lassen, während über unseren Köpfen die Drohnen kreisen? Wird die westliche und hier vor allem die europäische Demokratie stärker sein als die weltumspannende KI-Industrie und können unsere Politiker das Grundgesetzt davor schützen, daß es nicht von Algorithmen umgeschrieben oder eines Tages gar gelöscht wird?
Der Gedanke daran, daß es eigentlich niemanden gibt, außer der Zivilbevölkerung selbst und den wenigen kritischen Wissenschaftlern und Intellektuellen, kann durchaus Angst machen. Denn so richtig Gehör scheinen sie nicht zu finden. Zu groß ist der KI-Hype und jeder will dabei sein. Kritik und Skepsis sind wahrlich nicht sexy, wenn alle anderen nur ganz viel Spaß haben und Geld verdienen wollen. Das Image des Bedenkenträgers und Bremsers kommt in diesen Zeiten nirgendwo gut an. Es geht schließlich um die Zukunft und um die Wirtschaft. Moralapostel haben in diesem Falle wie immer keine Konjunktur. Und welche Macht hat schon ein mahnendes Wort gegen den digitalen Algorithmus und die programmierte Selbstverliebtheit?
Mit meiner Skepsis befinde ich mich zum Glück in guter Gesellschaft. Der deutsche Soziologe und Gründer von "Futurzwei" Prof. Harald Welzer spricht zum Beispiel deutlich von den Gefahren für die Demokratie, die unter anderen von der KI als Teil der gesamten digitalen Kommunikation ausgehen. Er fordert in diesem Video vor allem einen dringenden gesellschaftlichen Diskurs.
Führende Forscher
der Universitäten Stanford, Yale, Oxford, Tohoku sowie Entwickler von Microsoft und Google und selbst Volkswagen
warnen vor den Gefahren und dem Missbrauch der KI. Auf SZ.de kann man dazu lesen: „Die Mahner geben sich sogar optimistisch: Die Entwicklung der KI sei an einem Punkt, an dem man noch gemeinsam eingreifen könne. Aber das müsse eben jetzt geschehen. Jetzt!“
In diesem Sinne mein Tipp: Liebe Kinder, lernt Programmieren! Jetzt! Für den Widerstand!


